Brief an Ministerin van der Leyen
Sehr geehrte Frau Ministerin,
da ich Ihre Bemühungen um mehr Geburten in Deutschland sehr zu schätzen weiß, wende ich mich an Sie in diesem Brief, um über unsere Erfahrungen in einer sehr renommierten Bonner Klinik zu berichten. Ich selber habe drei inzwischen erwachsene Kinder, und zwei von ihnen wurden damals dort geboren. Meine älteste Tochter, die 37 Jahre alt ist, hat letztes Jahr mit der Absicht eine Familie zu gründen geheiratet und konnte schnell schwanger werden. Die Schwangerschaft verlief außerordentlich gut, sie entschied sich für eine Geburt in einem Krankenhaus mit Kinderstation und ging daher in das Bonner Marienhospital.
Leider wurden wir von den Zuständen in dem Krankenhaus sehr enttäuscht. Wenn Sie sich bemühen, daß die Frauen in Deutschland sich für Familie und Kinder entscheiden, sollten Sie auch erfahren, mit welchen Problemen die Eltern schon bei der Geburt konfrontiert werden. Das trägt mit Sicherheit nicht dazu bei, daß man noch weitere Kinder bekommen möchte, und in dem Freundeskreis, der davon erfährt, wirken sich solche Erfahrungen auch nicht positiv aus.
Meines Erachtens ist nicht nur wichtig dafür zu werben, dass mehr Kinder geboren werden, sondern auch dafür zu sorgen, dass jedes Kind gesund die Geburt übersteht.
Zwei Tage vor Ablauf des Geburtstermins wird meine Tochter im Krankenhaus untersucht. Das Fruchtwasser ist klar, es ist alles in Ordnung. Meine Tochter geht dann am 12.02. ins Krankenhaus und die Geburt wird mit Tabletten eingeleitet. Das Krankenhaus ist überfüllt, sie kommt in ein Dreibettenzimmer. Während des Tages wandert sie vom Kreissaal zu Kreissaal. Es sind vier und sie sind ständig belegt. Ich bleibe bei ihr bis abends, gehe dann nach Hause. Meine Tochter bekommt die letzte Tablette und wird aufs Zimmer geschickt zum Schlafen.Um 0:30 Uhr platzt die Fruchtblase und sie wird dazu gezwungen, das Badezimmer zu benutzen, was sie die ganze Zeit vermieden hatte, da es mit Blut und Exkrementen verschmutzt ist. Um 1:30 Uhr werde ich am Telefon verlangt und fahre mit einem Taxi ins Krankenhaus. Ich gehe in den Kreissaal und bleibe die ganze Zeit mit der Strassenkleidung und ohne die Hände zu desinfizieren bei meiner Tochter und der Hebamme. Alles verläuft normal bis zur Geburt, als die Ärztin uns erklärt, man muss eine Saugglocke einsetzen, um das Kind zu holen. Diese Prozedur geschieht rasch, das Kind ist nach einer Pressweh da (5:44 Uhr), schreit sofort, ich bekomme eine Schere, um die Nabelschnur zu durchtrennen. Während der ganzen Zeit kommt mein Schwiegersohn diverse Male herein. Er ist mit dem Fahrrad ins Krankenhaus gefahren und wird auch ohne Schutzkleidung und ohne die Hände zu desinfizieren zu seiner Frau, später auch zu dem Kind hereingelassen. Das Kind wird sauber gemacht, meine Tochter (übrigens auch nur mit dem Oberteil ihres Schlafanzuges gekleidet) bekommt das Baby, dann ich und dann mein Schwiegersohn, der mit einer Schwester und dem Kind zu der Anmeldung geht.
Im Laufe des Vormittags fahre ich nach Hause. Während des Tages besuchen mein Mann und ich unsere Tochter, der Kleine ist wach und es scheint immer ganz gut zu gehen. Gegen Abend werden wir von unserer Tochter angerufen, man habe ihr das Kind weggenommen, es mußte auf die Intensivstation und mit Antibiotikum behandelt werden, da das Kind unter einer Infektion leidet.
Während einer Woche erleben wir Folgendes:
1 Der behandelnde Oberarzt sagte meiner Tochter, als sie ihn wegen der Behandlungszeit anspricht, es könne eine bis drei Wochen dauern, aber was seien denn drei Wochen im Vergleich zu einem ganzen Leben.
2 Die Eltern bekommen keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach dem genauen Infektionserreger. Eine Kultur wird veranlasst und man muß auf den Befund warten. Das Kind bekommt das Medikament durch eine Sonde, die er stets abmacht und ýhm immer wieder angelegt wird. Dafür wird er in beiden Händen, an mehreren Stellen am Kopf und an beiden Füßen gestochen.
3 In die Intensivstation dürfen nur die Eltern herein, nachdem sie durch eine Schleuse gehen. Wir müssen durch das Fenster schauen, das zu dem Hof führt und ich kann dabei das Krankenhauspersonal inklusiv Ärzte aus dem Kreissaal in Arbeitskitteln draussen beim Rauchen beobachten. Als ich fotografieren will, drehen sie sich um, um nicht erkannt zu werden. Meine Tochter sieht eine andere Mutter auf der Intensivstation beim Stillen in Begleitung einer Freundin in Strassenkleidung und mit Taschen. Daraufhin fragt sie die Ärztin, warum ihre Mutter nicht zu dem Enkelkind darf. Es stellt sich heraus, die Frau ist unerlaubterweise hineingegangen, man habe es aber nicht bemerkt.
4 Die Ärztin sagt meiner Tochter, daß eine bestimmter Wert sich erhöht hat, was sie sehr beunruhigt. Nach vielem Fragen erfährt sie, es sei normal, daß sich dieser Wert erhöht und danach wieder sinkt. Für Laien klingt das unlogisch, Erklärungen versuchen wir woanders zu bekommen. Mein Schwiegersohn macht Druck, möchte den Befund der Kultur sehen. Im Prinzip soll der Befund am nächsten Vormittag mit der Post eintreffen, er muss dann schon im Labor vorliegen. Im Krankenhaus sagt man aber, es sei nicht möglich im Labor anzurufen und man dürfe ihm die Telefonnummer des Labors nicht geben. Abends hört meine Tochter von einer Schwester, man habe eine Blutuntersuchung bei dem Kleinen gemacht, nachdem er wieder seinen Katheter abgemacht hatte und dabei festgestellt, dass der o.g. Wert gesunken sei. Man habe aber vergessen, ihr das mitzuteilen.
5 Während des Aufenthaltes meiner Tochter im Krankenhaus habe ich sie jeden Tag besucht und einige Mißstände dokumentiert. In dem Zimmer, in dem sie lag, habe ich neben dem Fuß der Wickelkommode den Verschluß einer Wasserflasche und eine grüne Traube sieben Tage lang beobachtet und fotografiert. Das Zimmer wurde jeden Tag sauber gemacht. Auf der Gästetoilette im Flur, die von den Besuchern als Raucherzimmer benutzt wurde, lag hinter dem Papierkorb vom Freitag bis Montag ein Haufen Zigarettenkippen.
6 „Statistisch betrachtet findet man bei 1000 Lebendgeburten ungefähr ein bis acht Fälle einer Neugeborenensepsis. Ein nicht geringer Teil der Neugeborenensterblichkeit, ungefähr zehn bis zwanzig Prozent, geht zu Lasten der Sepsis. Bei Frühgeborenen sind es sogar vierzehn bis vierzig Prozent der Fälle.“ In der Woche, in der meine Tochter in diesem Krankenhaus lag, wissen wir von mindestens 2 (zwei) Fällen von Sepsis auf derselben Station.
Schließlich durften wir nach einer Woche mit dem Kind nach Hause. Inzwischen ist mein Enkelkind vier Wochen alt und ich danke Gott dafür, daß Er meine Gebete erhöht hat und der Junge gesund und geborgen bei seiner Familie sein darf.
Jetzt war ich in der Lage, diesen Bericht zu verfassen und ihn an Sie zu senden mit der Bitte, daß Sie ihm einen kurzen Augenblick Ihrer sehr vertwollen Zeit widmen.
Hochachtungsvoll,
Maria José de Almeida-Müller
1 Kommentar
Herzlichen Dank für Ihre sehr nette Rückmeldung!