17 Wochen war ich (41 Jahre) wegen Anorexie in der Seepark-Klinik¸ vor dieser Zeit war ich bereits einige Male in diversen stationären Einrichtungen. Um mit der Tür ins Haus zu fallen, ich kann diese Klinik jeder/m empfehlen, die/der therapeutisch an sich arbeiten will. Ich habe durch die lange Zeit in der Seepark-Klinik ein stabiles Gewicht erreicht, viel von der Angst vor dem Essen verloren und einen besseren Umgang mit dem Essen erlernt. Außerdem habe ich dank intensiver einzelkrankengymnastischer Therapien meine völlig verkümmerte Beinmuskulatur wieder so aufbauen können, dass ich wesentlich stabiler auf den Beinen bin, und fühle ich mich emotional gefestigt.
Mein Einstand dort war hart; ich tat mich mit der Situation im betreuten Essen sehr schwer, nachdem ich zuvor in einem Allgemeinen Krankenhaus ohne Begrenzungen mit dem dortigen Essen hantieren konnte; anders in der Seepark-Klinik. Dort – und das zeichnet diese Klinik im Vergleich zu den von mir früher gemachten Erfahrungen aus – wird individuell das therapeutische Setting abgestimmt. Das heißt konkret, dass es für jede/n einen individuellen Essenplans gibt, dessen Einhaltung kontrolliert wird und dass bei einer Gewichtszunahme von weniger als 500 gr./Woche die Kalorienzahl erhöht wird. Das zumindest solange, bis das Zielgewicht (unterstes Normalgewicht, was einem BMI von 18,5 entspricht) erreicht ist. Es fiel mir anfangs nicht leicht, mich in das extrem reglementierte betreute Essen (einzuhaltende Zeiten, Tellerservice, Kontrolle und ggf. Ausgleich durch Fresubin) einzufinden und jegliche Autonomie aufzugeben; erst viel später entdeckte ich darin die beabsichtigte Hilfestellung. Bei Gewichtszunahme und unauffälligem Essverhalten werden die persönlichen Freiheiten erweitert; maßgeblich für Wechsel zum Bufett, Ausgang und Freizeitmöglichkeiten ist ein Stufenplan, der sich nach dem BMI staffelt. Oberstes Ziel ist, einen eigenverantwortlichen Umgang mit dem Essen zu erlernen, der sich auch außerhalb der Klinik einhalten lässt. Sämtliche Fragen und Änderungswünsche hinsichtlich Essen und Bewegung werden in der täglichen Mittagsgruppe besprochen, die von Diätassistentinnen geleitet wird; dreimal in der Woche ist eine Psychologin dabei. Dass in diesem doch recht großen Kreis von PatientInnen auch sehr persönliche Themen angesprochen wurden, fand ich manchmal problematisch. Nicht förderlich war da für mich auch der Umstand, dass im Anorexiebereich überwiegend wesentlich jüngere PatientInnen zu finden sind.
Die psychotherapeutische Betreuung in der Seepark-Klinik verlief für mich insgesamt einfach ideal. Neben den Gruppentherapien in der Basisgruppe (GesprächsGruppe, Konzentrative BewegungsTherapie, KunstTherapie) nahm ich an etlichen weiteren Therapien, sowohl innerhalb einer Gruppe als auch als Einzeltherapie, teil (eine Aufzählung befindet sich am Ende dieses Berichtes). Bei all diesen Angeboten beeindruckte mich besonders, dass ich mich als Individuum mit meiner eigenen Geschichte wahrgenommen fühlte, und die große Herzlichkeit, mit der mir die PsychologInnen begegnet sind. Dementsprechend wurden mir spezielle Angebote unterbreitet, aus denen ich sehr viel ziehen konnte. Unter anderem wurde in der Seepark-Klinik erstmals das Thema Trauma-Aufarbeitung relevant und im Rahmen von TraumaSitzungen ein erster Grundstock gelegt für weitere ambulante Settings. Bei allen therapeutischen Sitzungen fühlte ich mich in guten und kompetenten Händen, was den Zugang zu brisanten Themen erleichterte. Es war im übrigen beruhigend zu sehen, wie gut der Informationsaustausch im Team der TherapeutInnen funktionierte. Zudem fühlte ich mich innerhalb des gesamten TherapeutInnen-Teams als vollwertiger Mensch akzeptiert, erlebte die TherapeutInnen als sehr patientennah. Das gilt im übrigen auch für die Klinikleitung; insbesondere die Chefärztin war jederzeit für Gespräche erreichbar. Darüber hinaus gibt es regelmäßig ein PatientInnenforum für Anregungen und Kritik.
Im Rahmen einer dort akut auftretenen Krise erlebte ich die maßgeblichen Therapeutinnen als sehr engagiert, mich wieder zu stabilisieren, wofür ich sehr dankbar bin.
Ich habe vor meinem Bericht ein wenig die bisherigen Erfahrungsberichte zu dieser Klinik durchgesehen und stimme insofern der Kritik zu, als dass es bei der Patientendisposition manchmal ein wenig Hin und Her gab; den Therapieverlauf beeinträchtigt hat das meiner Meinung nach aber nicht. Zugleich hätte ich mir ein bisschen mehr Freundlichkeit bei den Schwestern in der Medizinischen Zentrale gewünscht. Alles weitere aber, sowohl die Einrichtung an sich als auch die Ausstattung der Einzelzimmer, war absolut in Ordnung. Die Verpflegung empfand ich als abwechslungsreich und gut. Der Ort Bad Bodenteich ist eher beschaulich, hat aber das Nötigste (Aldi, Schlecker, Post, Bank, Eiscafé, Blues-Kneipe ;-)) zu bieten. In der Klinik selber gibt es neben TV-Räumen und Caféteria, einen BillardTisch, ein Tischfußball und ein Musikzimmer, dessen Instrumente man nach bestimmten Vorgaben benutzen kann. Ein Zugang zum Internet ist vorhanden, jedoch kostenpflichtig und auf den Foyer-Bereich begrenzt. Regelmäßig finden Disco, Grillabende, Filmvorführungen und Ausflugsfahrten statt. Das Gelände der Klinik grenzt direkt an einen See mit Parkanlage (Seepark-Klinik eben :-)), wo unter anderem Minigolf gespielt und Tretboot gefahren werden kann.
Sollte ich jemals wieder in die Notwendigkeit kommen, stationäre Therapie in Anspruch nehmen zu müssen oder einer Auffrischung bedürfen, würde ich gerne erneut die Seepark-Klinik aufsuchen. Eine Möglichkeit hierzu bietet sich denn auch bei Bedarf in Form einer sogenannten Intervallbehandlung. Für die Zeit nach der Entlassung existiert zudem ein Nachsorgeprogramm, das verbindlich vereinbart wird bzw. die anschließende Unterstützung seitens der Klinik für ein Jahr gewährleistet.
Was es dort unter anderem an Therapiemöglichkeiten gibt, will ich kurz an dem verdeutlichen, was ich selber nutzen konnte: EinzelGepräche bei der BezugsTherapeutin à 30 min./Woche; GesprächsGruppe, Konzentrative BewegungsTherapie, KunstTherapie in der Gruppe und einzeltherapeutisch; Videokonfrontation, MittagsGruppe, SkillsGruppe, DepressionsbewältigungsGruppe, TraumaEdukationsGruppe, 3 TraumaSitzungen à 90 Minuten; SelbstsicherheitsTraining; Haltungsschule, Einzelkrankengymnastik, Massagen, Wärmepackungen, Qigong, Yoga, StabilisierungsGruppe. Natürlich gibt es weitere therapeutische Angebote, die jedoch für mich nicht relevant waren und abhängig sind von der jeweiligen Symptomatik; so z. B. Einzel-KBT, soziale KompetenzGruppe, AquaTherapie.
Zu Beginn meines Aufenthaltes in der Klinik dachte ich nicht, dass es so eine lange Zeit werden würde, jetzt bin ich froh und dankbar für jede Woche, die ich dort an mir arbeiten konnte.
1 Kommentar
Hallo.. Warst du akut oder Reha Bereich? Danke im voraus ????