Im Vorfeld hatte ich viel gutes über die Klinik gehört - manches hat sich bestätigt, anderes nicht.
Das wichtigste für Patienten dieser Klinik: man muss bereit sein, Selbstverantwortung zu übernehmen und sich zu verändern. Wirklich bereit, etwas zu tun, der Wunsch alleine reicht nicht.
Die Therapie legt viel Wert auf Eigenverantwortung, eigene Arbeit an sich selbst - zwar sind die Therapeuten gut und können auch viele Denkanstöße geben, umsetzen und reflektieren muss sie der Patient aber alleine, mit den Gruppenmitliedern (circa 12 Patienten sind in einer Gruppe) oder in den hoch gelobten Selbsthilfegruppen.
Während der Einzelgespräche mit den Therapeuten, nur 15 bis 20 Minuten die Woche, bleibt wenig Zeit, wirklich wichtige Themen zu besprechen, so dass alles in der Gruppentherapie reflektiert werden muss. Es kann gut und hilfreich sein, Themen mit den anderen Patienten zu besprechen, aber es gibt Themen, die man nicht mit so vielen Anderen besprechen will - diese blieben bei mir dann einfach auf der Strecke.
In die Kerngruppentherapie der Cathexen-Gruppe, in der eher Platz für solche Gespräche wäre, weil weniger Patienten dabei sind (in meiner Zeit waren es 5), wird nicht jeder Patient aufgenommen, hier ist Mobbing durch Patienten möglich, die Andere nicht mögen und gegen die Aufnahme desjenigen voten. Ob es wirklich richtig ist, Patienten entscheiden zu lassen, wer in die Kerngruppe darf? Ich finde und fand das sehr bedenklich und falsch.
Als Patient der Gemeinschaft III wird man vor Allem bezüglich der Persönlichkeitsstörung behandelt, andere psychische Probleme bleiben eher auf der Strecke. So half mir die Therapie nicht mit meiner Essstörung, denn es ist meiner Erfahrung nach nicht möglich, in einer anderthalbstündigen Gruppenntherapie pro Woche wirklich Essstörungen und deren Ursachen anzugehen. Zwar gibt es den Genießertisch für Patienten der Gemeinschaft III, an dem man aber nur in den ersten ein bis zwei Wochen sitzt und wo man lernt, was angemessene Portionen sind - aber die Ursachen von Essanfällen können auch da nicht angegangen werden.
Wenig hilfreich, aber dennoch mehrfach die Woche durchgeführt werden Versammlungen mit der gesamten dritten Gemeinschaft, also circa 35 bis 40Personen - ich habe hauptsächlich Patienten erlebt, denen es schwer fiel, vor dieser großen Gruppe mit Patienten, die man kaum kennt, von sich zu berichten.
Der Tagesablauf ist sehr strukturiert- Der Tag beginnt spätestens um 6:45Uhr mit Frühsport, wobei die Patienten zwischen Spazierengehen und Teilnahme am Gymnastikangebot wählen können. Die Therapeuten erwarten, dass man sich mindestens 20min bewegt - es wurden Patienten gemeldet und kritisiert, die dies nicht gemacht haben.
Um 8Uhr gibt es Frühstück und anschließend in der Regel Therapie, je nach individuellem Therapie-Stundenplan.
12:15Uhr Mittagessen und dann wieder Therapie oder Freizeit.
18Uhr Abendessen und dann Besuch der Selbsthilfegruppen oder Freizeit.
So viel zur Therapie an sich.
Für Gemeinschaft III gibt es zwei Teeküchen als Aufenthaltsraum - die eine sehr klein, die andere angenehm in der Größe, aber mit viel zu alten, durchgesessenen, Möbeln und unpraktischer Einrichtung. Gemeinschaften I und II haben sehr viel schönere Teeküchen, in denen sich die Patienten wirklich wohlfühlen können, aber an Gemeinschaft III wird offensichtlich gespart.
Die Ausstattung der Klinik beinhaltet weiter:
- Sauna, die ich selbst nicht genutzt habe
- ein schönes, aber oftmals sehr kaltes Schwimmbad, das man zu selten als Patient in seiner Freizeit nutzen kann
- den Kreativraum, der sehr gut mit Material ausgestattet ist (diverse Farben, Ton, verschieden großes Papier), aber auch zu selten genutzt werden kann
- Sporthalle, habe ich nicht genutzt
- Ergometerraum mit nur zwei Ergometern, viel zu wenigen für über hundert Patienten
Die medizinische Versorgung wird durch 24h-Pflege und Sprechstunden bei einer Ärztin sichergestellt.
Das Pflegepersonal, das auch als Ansprechpartner in Krisen und beim Kofferpacksyndrom genannt ist, ist sehr bemüht, aber es fehlt oftmals die Kompetenz. So wussten einige Schwestern/Pfleger nicht, wie ein Blutzuckermessgerät zu bedienen ist oder wussten nicht mit den Krisen und besonderen Eigenschaften von in der Persönlichkeit gestörten Patienten umzugehen, erschienen vor Allem genervt und überfordert. Als Ansprechpartner für Krisen haben meine Mitpatienten und ich die Pflege daher nicht gerne genutzt, worauf die Therapeuten in keinem Fall mit Verständnis sondern mit herber Kritik reagiert haben.
Die zuständige Ärztin ist, wie von einer anderen Patientin bereits berichtet, sehr grob und unfreundlich zu ihren Patienten. Während meiner Zeit habe ich erlebt, wie sie ein verletztes und sich bereits in Krankenhausbehandlung befindendes Sprunggenlenk in verschiedenste Richtungen verdreht hat, ohne auf die Schmerzen der Patientin und mögliche Folgen für das Sprunggelenk Rücksicht zu nehmen. Zur Ärztin ist weiter zu sagen, dass sie stets zu spät zu ihren eigenen Sprechstunden kam, so dass Patienten, die zu ihr mussten, in der Regel viel zu spät in ihre anschließenden Therapien kamen.
Patienten, die auf Medikamente angewiesen sind, müssen sich in Bad Grönenbach selbst mit diesen versorgen, Medikamente werden nicht von der Klinik gestellt.
Das Essen ist nicht sonderlich gut, es werden zu viele Fertig- und Dosenprodukte verwendet (vor Allem das Gemüse).
Auch ist nicht immer ausreichend vorhanden. So gab es öfter Beschwerden anderer Gemeinschaften, die später aßen als wir, dass sie kein Obst mehr bekämen, wenn sich jeder Patient mehr als ein Stück nähme. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, so wenig Obst anzubieten, wenn man sehr viele Patienten mit Essstörungen in der Klinik hat, für die Obst die einzige adäquate Zwischenmahlzeit ist?
Die Auswahl beim Essen ist sehr beschränkt - für Vegetarier ist es sehr unzureichend, wenn nur eine bis zwei Sorten Käse zum Abendbrot angeboten wird und dies immer die gleichen sind.
Der Nachtisch zumindest war immer sehr lecker - wenn genug vorhanden war. Hierzu ist aber, wie bereits erwähnt wurde, zu sagen, dass an zwei Tagen Rumgeschmack im Pudding war - bei Patienten mit Suchtproblemen und generellem Alkoholverbot in der Klinik?! Vom auf diesen Geschmack angesprochenen Küchenpersonal wurde zunächst behauptet, wir Patienten hätten keinen Geschmack und das sei Schokoladengeschmack - wir wurden also als verrückt abgetan! Erst auf die Beschwerde bei Therapeuten und Pflegepersonal hin wurde etwas unternommen und der entsprechende Pudding vom Angebot genommen.
Die Zimmer im Neubau (mit Balkon!) sind sehr groß und geräumig und zweckmäßig gut ausgestattet, mit Schreibtisch, großem Kleiderschrank, Nachttisch und Dusche im eigenen Badezimmer. Es sind wirklich Zimmer zum Wohlfühlen, wobei in einigen Zimmern Schimmel an den Wänden war.
Die Putzfrauen waren immer sehr nett und gingen auch auf Wünsche der Patienten ein, zum Beispiel das Zimmer nicht täglich sauberzumachen. Es muss aber auch gesagt werden, dass die Damen als heimliche Helfer der Therapeuten angesehen werden können, mehrere Mitpatientinnen wurden von ihnen bei den Therapeuten angezeigt, weil die Zimmer unaufgeräumt und chaotisch waren.
Sehr tragisch für allen Beteiligten und sogar die Therapeuten war es, dass die teils jahrelang angestellten Putzfrauen entlassen wurden, um Billigkräfte einzustellen. Dies bedeutete, dass Absprachen mit den Putzfrauen nicht mehr funktionierten, die Zimmer nicht mehr so gut gereinigt wurden und es Zigarettenrauch in der strengen Nichtraucherklink gab.
Bettwäsche und Handtücher werden zwar gestellt, aber die Mitnahme eigener ist zu empfehlen, denn oftmals war die frische(!) Wäsche dreckig, teilweise sogar blutig.
Die Damen an der Rezeption sind sehr bemüht, alles zu tun, um den Patienten zu helfen, aber es fehlt gerade in Stoßzeiten an Personal, was die Patienten zu spüren bekommen, wenn die sonst sehr freundlichen Damen plötzlich unhöflich sind, weil sie so sehr im Stress sind.
Leider wird an der Rezeption nicht kopiert (außer den therapiewichtigsten Unterlagen), obwohl wir Patienten sehr viel Material bekamen. Die Klinikleitung weigert sich, einen Kopierer aufstellen zu lassen, man könne als Patient in den Ort gehen. Das ist aber nicht jedem Patienten möglich, da der Weg runter nach Bad Grönenbach für ungeübte Patienten sehr beschwerlich ist (Laufzeit für eher unsportliche Patienten: 10 - 20 Minuten).
Allgemein wird an vielen Stellen gespart, an denen die Patienten wirklich darunter leiden, z.B. wurde der Fitnessraum geschlossen und der Fahrradverleih durch die Klinik eingestellt.
Die Umgebung ist traumhaft - Bad Grönenbach liegt im schönen Teil des Allgäus, von vielen Räumen aus sieht man die Berge des Allgäus und bei gutem Wetter bis zu den Alpen.
Für Spaziergänge am Wochenende bieten sich viele schöne Wanderwege in unterschiedlicher Länge an, manche von ihnen führen zu guten Cafés mit toller Ausicht (Waldcafé!).
Von Bad Grönenbach kommt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln in benachbarte Dörfer und Städte - Ausflüge nach Memmingen und Ulm lohnen sich in jedem Fall. Da der Bus sehr selten fährt empfiehlt sich nach Möglichkeit die Mitnahme eines Autos.
Im Dorf selbst findet man diverse Supermärkte, der ohne Auto gut erreichbare Edeka ist jedoch vergleichsweise teuer. Das ist schlecht, da sich die Patienten selbst mit Getränken versorgen müssen. Mit Auto gut, zu Fuß nach einem längeren Fußmarsch erreichbar ist ein Discounter.
Mein Fazit: alles in allem kann ich die Klinik empfehlen, weil die Therapeuten sehr gut sind, Patienten sollten aber ihre Ansprüche an die Leistungen einer Klinik gering halten.
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