Ich war im Juni/Juli 2009 für 5 Wochen wegen einer ‚Tinnitus-ReHa’ in der Bosenbergklinik. Bei einigen Bewertungen in diesem Forum wurde der Zustand des Gebäudes thematisiert. Natürlich ist der gesamte Klinikkomplex ein Zweckbau aus den siebziger Jahren. Es gibt auch einen gewissen Renovierungsrückstand, aber in letzter Zeit wurden nach und nach Modernisierungen durchgeführt. Auch wir waren davon betroffen, da während der 5 Wochen die Fenster im Eingangs- und Restaurantbereich erneuert wurden. Für einige unter Hyperakusis leidende Mitpatienten war der Baulärm sicher eine Belastung. Ich selbst habe es eher als Training empfunden, da gerade Tinnitusbetroffene lernen sollen, störende Geräusch wegzufiltern. Weitere Renovierungsmaßnahmen werden wohl auch in näherer Zukunft folgen; so wird im August der Saunabereich erneuert. Der hat es auch wirklich nötig.
Ansonsten sind die Einrichtungen zweckmäßig und im Allgemeinen in Ordnung. Die Zimmer sind ausreichend groß bemessen und die Einrichtung zwar nicht besonders hübsch und ebenfalls in die Jahre gekommen, der Teppich könnte eine Grundreinigung gebrauchen, die Matratze war ok (obwohl es da von Zimmer zu Zimmer wohl deutliche Unterschiede gibt) und der Balkon versprüht Plattenbauromantik, aber man ist ja auch in einer ReHa und nicht im 4-Sterne Hotel. Da man doch eine gewisse Zeit des Tages auf dem Zimmer verbringt, beispielsweise abends zum Fernsehen oder Lesen (Restaurant/Cafeteria schließen bereits um 20 Uhr) wäre eine bequemere Sitzgelegenheit als der vorhandene Stuhl sicher angebracht. Auch der Balkonstuhl ist insbesondere ohne Auflage kaum zum Entspannen geeignet. Der Sanitärbereich ist zweckmäßig und man kann problemlos und schnell mal zwischen den Therapien unter die Dusche springen. Das ‚Schnell’ war auch wichtig, da oft nur 15 Minuten beispielsweise zwischen Frühsport und Motorelaxation blieben, um nicht verschwitzt zur Entspannungsübung zu erscheinen. Der eingebaute Duschthermostat soll die Einstellung der gewünschten Wassertemperatur sicherlich erleichtern, gehörte in meinem Zimmer aber eher zur Kategorie ‚gesundheitsgefährdend’. Bei der Einstellung 25°C konnte man von 20 bis 50°C alles geliefert bekommen, genauso wie bei einer Einstellung von 45°C. Und die Temperatur wechselte während eines Duschvorgangs durchaus öfters von einem Extrem zum Anderen. Da blieb nur schnell zur Seite zu hüpfen. Auch die anderen Duschthermostate im Schwimmbad und Saunabereich zeigten ähnliche Effekte, wenn auch nicht so extrem.
Die Sauberkeit des Sanitärbereiches war in Ordnung und die tägliche ‚Zimmer-Reinigung’ umfasste auch mehr als einmal wöchentlich das feuchte Durchwischen des Sanitärbereiches und das Reinigen der Toilette. Insgesamt war die Reinigung zwar eher oberflächlich als gründlich, aber auch nicht so, dass man sich hätte darüber aufregen müssen. Das Reinigungspersonal war freundlich und stets bemüht die Privatsphäre zu respektieren. Im Gegensatz zum Hausmeister, der auch schon mal quasi mit dem Anklopfen bereits im Zimmer stand. Der Schreibtisch enthält eine abschließbare Schublade, so dass man Gegenstände wie Fotoapparat oder Notebook dort einschließen kann. Die Qualität des Schlosses ist allerdings wenig überzeugend. Stauraum ist im Zimmer ausreichend vorhanden. Auf dem Balkon ist eine Wäschespinne vorhanden, so dass man zumindest bei entsprechender Witterung die vielen feuchten Sachen (Schwimmzeug, Handtücher, etc.) gut trocknen kann. Der Fernseher hat eher eine Alibifunktion und kostet außerdem 1,80 EUR/d Miete. Zumindest in den Zimmer auf der nach St. Wendel ausgerichteten Seite des Klinikgebäudes ist DVB-T-Empfang (z.B. mit einem Notebook) möglich. Die Privatsender waren allerdings zumindest auf der ersten Etage nicht zu empfangen. Auf dieser Seite des Gebäudes ist auch in den Zimmern eine Internetanbindung per UMTS/HSPDA möglich, so dass man nicht unbedingt auf die von der Klinik angebotenen (teuren bzw. langsamen (in den Zimmern nur analoge Modemanbindung)) Internetverbindung angewiesen ist. Auf der anderen Hausseite ist die Verbindung vermutlich eher schwierig.
Nun aber zu dem eigentlich Wichtigstem, den therapeutischen Ansätzen und Möglichkeiten :
Ich hatte insofern Pech, dass ich wegen des Beschäftigungsendes eines Arztes sowie wegen Urlaubsabwesenheiten in den fünf Wochen von drei verschiedenen Ärzten betreut worden bin. Die fachliche Qualität der drei Ärzte erschien mir sehr unterschiedlich zu sein. Während der erste Arzt sich intensiv bemühte, mein individuellen Tinnitus-Symptomatik zu ergründen und den Therpieplan entsprechend abzustimmen, bekam man von den beiden anderen Ärztinnen nur die üblichen Tinnitus-Stereotypen zu hören. Die letzten drei der wöchentlichen Arzttermine hätte ich mir auch schenken können, ohne dass irgendetwas gefehlt hätte. Genauso wie den Termin ‚Chefarztvisite’. Dieser Termin beschränkte sich im Wesentlichen auf die Fragen „Sind Sie gut aufgenommen worden?“, „Ist das Zimmer auch sauber?“ und „Sind Sie mit Ihrem Therapieplan zufrieden?“. Als ich die letzte Frage nicht komplett bejahen konnte und dann das Gespräch mehr auf die medizinische Thematik lenken wollte, war die Zeit leider zu knapp bemessen und das Gespräch nach wenigen Minuten beendet. Ich hatte den Eindruck, ich hätte mit dem Organisationschef der Klink und nicht mit dem Chefarzt ‚Tinnitus/HNO’ gesprochen.
Wenn man in der Bosenbergklinik ein ReHa genehmigt bekommt, sollte man vielleicht besser die Zeit der saarländischen Schulferien meidenn. Durch die Urlaubsabwesenheit von Therapeuten bekamen wir maximal 2 Krankengymnastik-Termine (Cranio-Sakral-Therapie) und 2 Massagen die Woche, und selbst diese wenigen Termine fielen dann teilweise aus Krankheitsgründen auch noch aus. Viele Tinnituspatienten haben unter Problemen (Verspannungen) im Bereich der HWS/Schulter zu leiden. Gerade in dem Bereich der Manualtherapie oder Massage hatte ich daher auf eine deutlich höhere Therapiedichte gehofft, als dies im Alltag zuhause zu realisieren ist. Ich bin hier aber ziemlich enttäuscht worden. Zum Thema Massage war zu hören, dass es dort früher deutlich mehr Kapazitäten an der Bosenbergklinik gegeben hat, aber aus Kostengründen zwei Masseure eingespart wurden. Stattdessen wurde ein Medi-Jet-Gerät installiert, so eine Art Wasserbett mit Düsen, die nach einem vorgegebenen Programm unter dem Rücken des Patienten hin- und her fahren. Echt super ! Da kann ich auch ins Schwimmbad gehen und mich dort mit dem Rücken vor eine der Massagedüsen stellen und mich selbst etwas hin- und her bewegen. Dafür muss man nun wirklich nicht in ReHa fahren. Der Vorteil des Medi-Jet liegt ganz klar darin, dass man problemlos Termine abends um 20 Uhr und auch Samstags bekommt. Da hat der Masseur natürlich frei. Und krank wird der Medi-Jet auch nicht.
Die Abfolge der Therapie-Termine ist oft nicht logisch aufeinander abgestimmt. So folgt nach Fango oder Vollbad zum Entspannen, die Wassergymnastik oder der Gesundheitssport, gefolgt von der Moto-Relaxation, der Massage und nach dem Mittag dann noch etwas Muskelaufbautraining, gefolgt vom Tinnitusvortrag. Ach ja, zwischen Fango und Gesundheitssport hat man noch 25 Minuten zum Frühstücken, von denen man bis zu 10 Minuten an der Schlange vor dem Kaffeeautomaten verbringen kann. Durch die Abfolge der Termine kommt man auf jeden Fall oft zum Duschen. Und der vielfache Wechsel von Entspannung und Anspannung ist offensichtlich ein Teil der Therapie für Tinnituspatienten. Vermutlich wird hier auf eine optimale Ressourcenausnutzung optimiert. Die Belange der Patienten stehen im Konfliktfall dahinter zurück.
Als positiver Punkt ist auf jeden Fall das Sport- und Bewegungsangebot zu nennen. Die Sporttherapeuten sind alle sehr motiviert und stets freundlich, nahezu ’kumpelhaft’, und gestalten das Angebot (allgemeiner Gesundheitssport, Wassergymnastik, Muskelaufbautraining, Nordic Walking) abwechslungsreich. Auch die Relaxationstrainingseinheiten und die musiktherapeutischen Ansätze waren interessant und lehrreich gestaltet. Ebenso positiv wird mir die Freundlichkeit der Mitarbeiter der Bäderabteilung in Erinnerung bleiben. Herausheben möchte ich auch die ‚interaktiv’ und damit sehr interessant gestalteten Vorträge unseres ‚Tinnitusmanagers’ sowie die zuvorkommende Behandlung durch die beiden Diätassistentinnen. Falls man aus gesundheitlichen Gründen eine besondere Ernährung benötigt, so wird dies, wenn irgendwie möglich, berücksichtigt. Auch das normale Essensangebot ist sehr gut. Morgens ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, mittags mindestens drei verschiedene Gerichte von Vollkost bis zu fettreduzierter Kost. Lediglich das Abendessen ist auf Dauer etwas eintönig. An der Cafeteria kann man von mittags an Kaffee (1,40 EUR , Cappuccino 1,70 EUR), Kuchen, Eis und alkoholfreies Bier (1 Fl. Weizenbier 2,10 EUR) erwerben. Leider hat die Cafeteria nur bis 20 Uhr geöffnet und es kam leider mehr als einmal vor, dass das Personal auch schon eine Viertelstunde zu früh die Schotten dicht machte. Gerade im Sommer, wo man bei schönem Wetter noch bei einem alkoholfreien Weizenbier gesellig auf der Terrasse sitzen könnte, ist dies ärgerlich. Lediglich montags, am Tanzabend, ist die Cafeteria bis 22:30 geöffnet und es werden an diesem Abend dann auch alkoholische Getränke ausgeschenkt. Ansonsten herrscht in der Klinik Alkohol- und Rauchverbot. Daher weichen einige Patienten an den anderen Abenden auf das nahegelegene Kurschlösschen oder im Sommer auch zur Bosenbergklause (knapp 10 Minuten Fußweg) aus. Positiv zu bemerken ist die Möglichkeit, sich an einem Wasserspender im Erdgeschoss jederzeit kühles Sprudelwasser zu ‚zapfen’.
Für einen längeren Aufenthalt ebenfalls wichtig sind die Wasch- und Trocknungsmöglichkeiten. Für 2 EUR (incl. Waschmittel) stehen drei Waschmaschinen und drei Trockner (ebenfalls für 2 EUR) zur Verfügung. Im Sommer kann man zum Trocknen auf das Wäschereck auf dem Balkon zurückgreifen. Eine Bügelmöglichkeit ist ebenfalls vorhanden.
Hinsichtlich der Verwaltung gibt es die sehr eingeschränkten Ansprechzeiten in den Büros (insbesondere Therapieplanung ; 2 x täglich 30 Min.) zu bemängeln. Den wöchentlichen Therapieplan erhält man üblicherweise Freitagabend. Trotzdem ist man verpflichtet, jeden Abend ins Postfach zu schauen, ob es für den nächsten Tag eine Änderung gegeben hat. Wenn man dann mit dem Therapieplan nicht einverstanden ist, bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als dies am nächsten morgen außerhalb der offiziellen Sprechzeiten zu klären. Auch die Ansprechzeiten der Hörgeräteakustikerinnen sind stark eingeschränkt, so dass beispielsweise für Noiserkontrolltermine andere Termine, z.B. der Gesundheitssport, ausfallen müssen. Organisatorisch besser geregelt werden könnten sicherlich auch die Abholzeiten für die Müllcontainer oder andere Anlieferungen per LKW. Ich fand es nicht lustig, dass ich morgens manchmal ab 5:45 von LKW-Lärm (bis zu 10 Minuten laufender Motor etwa 20 Meter schräg unterhalb des Balkons) geweckt wurde. Viele Tinnitusbetroffene haben mit Ein- und Durchschlafschwierigkeiten und daher mit Schlafmangel zu kämpfen. Hinsichtlich des Therapieplans reicht es oft, wenn man kurz vor 7 Uhr aufsteht. Da wäre es schon schön, wenn man dann nicht schon eine Stunde früher von lärmenden LKWs aus dem Schlaf gerissen würde. In dieser Hinsicht ist der Süd-West-Flügel des Klinikgebäudes für Lärmempfindliche nicht die erste Wahl.
Bei medizinischen Notfällen sollte schnelle Hilfe möglich sein, da das Schwesternzimmer auch des Nachts und am Wochenende besetzt und ein Arzt in Bereitschaft ist.
Als letzter und ebenfalls sehr wichtiger Punkt noch ein paar Sätze zu den Freizeitmöglichkeiten. An den Wochenenden werden von der Klinik Busausflüge nach Luxemburg, Metz und Straßburg organisiert. Das ist aber nur etwas für Leute die gerne zwischen 3 und 5 Stunden im Bus sitzen, um sich dann ein paar Stunden eine Stadt anzuschauen. Gerade im Sommer bietet sich die Umgebung in St. Wendel für allerlei sportliche Aktivitäten an: Fahrradtouren zum Bostalsee (incl. Schwimmen im Freibad) oder durch das idyllische Ostertal ; Inlinerfahren auf der Rundstrecke am Wendelinuspark ; Wandern (Tiefenbachpfad (direkt bei der Klinik beginnend ; Saarschleife (ca. 65 km entfernt). Dafür ist es allerdings nützlich ein Auto zur Verfügung zu haben. Und natürlich auch nette Mitpatienten kennen zu lernen, die diese Aktivitäten auch mitmachen. Weitere Möglicheiten bestehen in einem Besuch im Outletcenter Zweibrücken (knapp 1 h mit dem Auto), in einer Weinprobe in der Magdalenenkapelle (schönes Ambiente) oder dem Besuch des Wendelinushofes (knapp 20 min. zu Fuß). Zum Fahrradfahren sei noch angemerkt, dass das Gebiet um St. Wendel eine Mittelgebirgslandschaft ist, d.h. es sind auch schon mal Anstiege von 100 Höhenmeter zu bewältigen. Insbesondere der knapp 2 km lange Weg von St. Wendel zur Klinik hoch hat 90 Meter Höhendifferenz und Passagen mit bis zu 12% Steigung. Aber andererseits ist das ein gutes Training und innerhalb von fünf Wochen Aufenthalt kann man merken, wie es von mal zu mal leichter geht. Wer sein eigenes Fahrrad mitbringt, kann dies in einer der Klinkgaragen unterstellen. Den Schlüssel dazu bekommt man problemlos an der Rezeption ausgehändigt.
Ansonsten steht einem außerhalb der Therapiezeiten noch die Turnhalle (2 Tischtennisplatten samt Schläger sind vorhanden, genauso Federballschläger) und das Schwimmbad (werktags meistens ab 11 Uhr, am Wochenende von 10-21 Uhr) zur Verfügung. Weiterhin werden abends in der Klinik noch verschiedene Kurse (Yoga, Malen, italienisch Kochen, etc.) oder Sing- und Spieleabende angeboten.
Es ist auch problemlos möglich am Wochenende Besuch zu empfangen. Eine zusätzliche Gästeliege im Zimmer kostet 25 EUR/ Nacht mit Frühstück und 40 EUR bei Vollpension. Diese Möglichkeit wird auch relativ intensiv genutzt. Insgesamt genießt man als HNO-Patient in der Klinik einige Freiheiten und kommt sich trotz der Öffnungszeiten (Eingangstür wird um 22:30 (Samstags 24 Uhr) abgeschlossen) nicht kaserniert vor.
Fazit nach fünf Wochen : Die körperliche Fitness und die Lebensfreude (Abschalten vom alltäglichen Stress) konnten gesteigert werden. Hier auch noch mal einen Dank an die netten Leute aus meiner Therapiegruppe, dass wir die Zeit in der ‚Anstalt’ gemeinsam so positiv und angenehm gestalten konnten. Die Erträglichkeit des Tinnitus wurde allerdings nur unwesentlich verbessert. Dafür ist die Zeit dort vor Ort zu kurz, aber vielleicht helfen einige der Entspannungstechniken, regelmäßig weiter angewendet, auf Dauer ja doch. Eher negativ werden mir teilweise die Ärzte und die zu gering angebotenen Therapiemöglichkeiten (KG, cranio-sakrale , Massage) in Erinnerung bleiben. Und noch ein Hinweis für die Kostenträger und Controller dieser Welt: Wer meint, dass ein Medi-Jet-Gerät einen guten Masseur oder Physiotherpeuten ersetzen kann, dem wünsche ich mal für einige Monate ebenfalls chronische Nackenverspannungen oder Ähnliches.
1 Kommentar
Positiv erwähnenswert wäre noch:
Die Masseurin der Bäderabteilung.
Eine Perle. Sie trifft immer ;-)
Die Psychosomatische Abteilung
Die Chefärztin der HNO
Die Therapieleitung