Aufenthalt im Reha-Zentrum Lübben vom 03.10.-24.10.07
Mi, 3. Oktober
Der Wecker klingelt um 8. Heute muss ich nach Lübben zur Reha, eine AHB-Maßnahme
(Anschlussheilbehandlung), wie mir die Dame vom Sozialdienst im Krankenhaus sagte.
Gestern Abend rief mich der Taxifahrer der Klinik an und sagte, dass er mich gegen 10 Uhr
abholen würde. Meine Sachen hatte Hildegard schon in den letzten Tagen gepackt. Heute
lassen wir uns bei unserem vorerst letzten gemeinsamen Frühstück richtig viel Zeit. Die Zeit
im Krankenhaus war schlimm, so lange war ich noch nie von Hilde getrennt gewesen und nun
schon wieder... Aber vielleicht darf sie mich ja am Wochenende besuchen kommen, im
Spreewald, wär´ ja schön.
Der Fahrer klingelt fast pünktlich an der Tür. Nun geht es los! Von Hilde verabschiede ich
mich schnell, will ihn nicht warten lassen. Dann hilft er mir, meine Koffer in den kleinen
blauen Bus zu tragen. Erstaunt stelle ich fest, dass ja auch schon andere Patienten im Bus
sitzen. Naja, jeden Patienten mit einem extra Auto abzuholen wäre wohl auch etwas teuer.
Schnell kommen wir ins Gespräch, ein Mann neben mir ist ebenfalls Prostata-Patient und eine
Frau hat eine künstliche Hüfte bekommen, sie hat ihren Rollator mitgebracht. In Lübben
angekommen, wundere ich mich etwas, als wir die Stadt wieder verlassen und über eine Allee
immer weiter „ins Grüne“ fahren. Doch nach einer letzten Kurve sehe ich das große moderne
Haus. Viele Glasfronten, gelbe Hunde und der große Eingangsbereich sind das erste, was ich
registriere. Und plötzlich steht da ein Mann, der uns freundlich begrüßt und unsere Koffer
hineinbringt. Wie im Hotel, denke ich noch...
An der Rezeption bekomme ich meinen Zimmerschlüssel und die Behandlungsmappe, die ich
immer bei mir tragen soll, dann melde ich noch schnell das Telefon an, weil ja Hilde mich
erreichen können muss.
Nach einer Führung durch das Haus, wo mir erklärt wird, wo ich was finde, werde ich auf
mein Zimmer, mein Zuhause für die nächsten drei Woche n, gebracht. Es ist groß, geräumig
und vor allem schön hell. Doch lange bin ich nicht allein. Eine Krankenschwester kommt und
bringt mir einen ersten Terminplan. Was mir sofort aufgefallen ist, ist die Freundlichkeit und
Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter. Und zwar alle, durch die Bank weg. Man merkt schon, dass
sie viel zu tun haben, aber den Stress lassen sie den Patienten nicht spüren.
Mein Terminplan sagt mir, dass ich um 12.10 Uhr zur Schwesternvisite muss und dann noch
EKG und Wiegen. Zum Glück nimmt mich die Schwester gleich mit, ich glaube, sonst hätte
ich mich hier verlaufen.
Dann gehe ich zum Mittagessen. Hungrig bin ich zwar noch nicht, aber mal schauen, was es
so gibt. Eine der Serviererinnen kommt mir gleich entgegen und zeigt mir meinen Sitzplatz
für die nächsten drei Wochen. Hier treffe ich auch einen alten Bekannten aus dem Bus wieder.
Auf der Speisekarte (die übrigens sehr an die eines Restaurants erinnert) steht, dass alle
Sättigungsbeilagen Bioqualität haben. Irgendwie schmeckt man das und meinem Körper tut es
wahrscheinlich auch gut. Hinzu kommt, dass das Essen hier durch die Deutsche Gesellschaft
für Ernährung ausgezeichnet ist - gesund also auf ganzer Linie.
Um 13.45Uhr habe ich bereits die Aufnahmeuntersuchung bei meinem Arzt. Hier fragt er
mich nach meinen persönlichen Zielen für die Reha. Das Wichtigste ist für mich, dass die
Inkontinenz besser wird. Dann besprechen wir gemeinsam meine Therapieverordnung für die
nächsten drei Wochen.
Dann habe ich Freizeit, um erst einmal die große Klinik richtig zu erkunden.
Der heutige Tag ist geschafft. Volles Programm – trotz Feiertag. So kann meine Reha gleich
morgen so richtig los gehen! Gegen 17 Uhr ist dann auch mein Terminplan für die erste
Woche im Briefkasten.
Do, 4.10.
Heute ist als erstes um 7.15 Uhr Blutentnahme und Urinprobe angesagt, in jedem
Krankenhaus das gleiche Spiel. Dann aber schnell zum Frühstück, denn um 8.00Uhr
bekomme ich bereits wieder Therm-Warm-Packungen für meine Halswirbelsäule. Obwohl
das nichts mit meinem Krebs zu tun hat, werden diese Schmerzen hier mit behandelt. Das
finde ich sehr gut.
Nun habe ich noch etwas Zeit, um mich im Zimmer etwas auszuruhen, dann geht´s zum
Terraintraining. Das ist ein straffer Gruppen-Spaziergang gemeinsam mit einer
Sporttherapeutin. Vor dem Mittagessen gibt es noch eine Runde onkologische Gymnastik auf
Hockern in der Turnhalle. Um 13.30 steht Beckenbodengymnastik auf dem Programm, nur
für Männer. Ziemlich anstrengend.
Als letzten Termin an diesem Tag steht die Informationsveranstaltung einer Psychologin. Sie
bietet uns verschiedene Einzelgespräche und Gruppentherapien an. Naja, schaden wird’s
sicher nicht. Und meine Schlafstörungen spreche ich auch gleich an.
Nachmittag melde ich Hilde für das Wochenende an. Das Wetter verspricht gut zu werden.
Wie ich von anderen Patienten gehört habe, soll die Schlossinsel in Lübben ein Ausflug wert
sein.
Am Abend finde ich meinen Therapieplan für die nächste Woche im Briefkasten, diesmal ist
er an den meisten Tagen ziemlich voll. Aber das ist gut so, dafür bin ich ja hier.
Fr, 5.10.
Heute kann ich etwas länger schlafen und nach dem Frühstück kommt gleich Entspannung
pur! Das Therm-Warm-Pack. Bei dem Muskelkater in den Schultern und Armen
(Hockergruppe) ist das aber auch wirklich notwendig! Danach geht´s gleich zu einer
Gesundheitsschulung. Hier begrüßt uns auch die Leitung der Klinik samt den beiden
Chefärzten.
Später am Tag habe ich etwas Neues: Atemgymnastik. Erstmal eine Einführung. Das ist
eigentlich nichts anderes als Dehn- und Streckübungen, aber es hilft mal wieder richtig
durchzuatmen.
Heute stellen sich uns die Küche und das Servicepersonal vor, inzwischen kenne ich mich hier
schon richtig gut aus (nach nur 2 Tagen!!) und die Mitarbeiter der Klinik erkennt man sofort
an ihrer Kleidung und sogar na mentlich durch das Namensschild.
Um 17.15Uhr trifft Hilde mit der Buslinie hier ein. Bevor wir zum Abendessen gehen,
bringen wir ihr Gepäck noch schnell auf mein Zimmer. Da ich mich hier auch inzwischen
richtig heimisch fühle, führe ich Hilde erst mal durch das Haus. Sie staunt nicht schlecht, als
ich ihr erzähle, dass auch sie die Sauna und die Schwimmhalle frei nutzen kann, wenn hier
keine Therapien sind. Auch vom Haus ist sie begeistert – alles so chic modern und groß... Den
Abend lassen wir bei einem Glas Wein im Café Lichtblick gemütlich ausklingen.
Sa, 06.10.
Hilde hat wider Erwarten gut auf dem Zustellbett geschlafen. Heute ist nur Schmalspur-
Therapieprogramm angesagt. Nur drei Termine, dann habe ich Freizeit und kann Hilde nach
dem Mittagessen die Umgebung zeigen. Hier gibt es drei verschiedene Wanderwege. Da wir
beide uns ganz fit fühlen und es überhaupt nicht nach Regen aussieht, entscheiden wir uns für
den längsten Weg und sind drei Stunden unterwegs. Leider gibt es zu wenige Sitzbänke,
sodass die Wanderung letztlich doch sehr anstrengend ist. Den Abend nutzen wir zur
Entspannung in der Sauna.
So 7.10.
Für heute haben wir den Ausflug nach Lübben geplant. Das Mittagessen habe ich bereits am
Donnerstag abgemeldet, sodass wir den ganzen Tag Zeit haben. Die Buslinie geht um 9.25
Uhr. Zuerst ist unser Ziel die Schlossinsel. Hier kann man wunderbar spazieren gehen und
sich auf einer Bank ausruhen. Auf dem Wasserspielplatz beobachten wir die Kinder beim
Spielen, wie sie das Wasser nach oben befördern und es dann wieder über ein Schaufelsystem
nach unten rinnt. Die Sonne scheint trotz Herbst so kräftig, dass es richtig warm ist. Das
Labyrinth und den Klanggarten erkunden wir ebenfalls. Zum Mittagessen gingen wir in ein
urgemütliches kleines Restaurant mit typischer Spreewälder Küche. Obwohl die Küche der
Klinik nicht schlecht ist, ist dies hier doch etwas anderes.
Nachmittag entschließen wir uns, das Museum im Schloss Lübben zu besuchen – eine
Zeitreise durch die Geschichte Lübbens und der Region. Dann müssen wir schon langsam
wieder zurück, weil Hilde wieder mit dem Zug nach Hause fährt.
Mo 8.10.
Der Tag beginnt wieder mit meinem geliebten Therm-Warm-Pack. Da könnte ich gleich noch
einmal einschlafen. Die anschließenden Therapien kenne ich bereits, doch gewöhnt habe ich
mich noch nicht an sie, wenigstens ist mein Muskelkater über das Wochenende weg gegangen.
Nachmittags habe ich Chefarzt-Visite. Die Chefärztin untersucht mich eingehend und fragt,
wie es mir geht und ob ich alle Therapien gut vertrage.
Gegen halb 4 habe ich Feierabend. Den Rest des Tages verbringe ich mit Lesen und
Fernsehen auf dem Zimmer. Die langen Wandertouren am Wochenende stecken mir noch in
den Beinen.
Di 9.10.
Meine erste Einzelkrankengymnastik steht heute auf dem Plan. Diese habe ich von meinem
behandelnden Arzt aufgrund meiner Rückenschmerzen verordnet bekommen. Heute ist das
aber erst mal nur eine Fragestunde. Die Therapeutin nennt es Befund. Beim nächsten Mal,
sagt sie augenzwinkernd, geht es richtig los. Langsam gewöhne ich mich auch an die
Anstrengung in der Hockergruppe. Nach dem Mittagessen habe ich das erste Mal
Männergruppe. Hier treffe ich auf weitere Männer, die wegen Prostatakrebs hier sind. Es tut
gut, andere Betroffene zu hören und es hilft mir, zu erfahren, wie sie mit ihrer Krankheit und
den damit verbundenen Symptomen umgehen. Nach der Atemgymnastik-Gruppe um
15.30Uhr ist Therapie-Ende. Heute ist wieder so schönes Wetter, ich gehe ein paar Schritte
um die Klinik und entdecke das Wildtiergehege, von dem ich erst gehört habe. Die Rehe und
Hirsche mit ihren mächtigen Geweihen liegen unter den Bäumen und schauen mich neugierig
an, sie sind gar nicht scheu. Die Parkanlage sowie der kleine Teich mit Steg sind sehr gepflegt
und sauber. Abends sorgt ein Männerquartett im Café Lichtblick für Unterhaltung. Kultur
habe ich ja in den letzten Wochen sehr vernachlässigt. Es tut gut, mal wieder Ablenkung zu
finden.
Mi 10.10.
Gleich nach dem Frühstück habe ich Männergruppe. Danach habe ich noch zwei Mal
Gymnastik in der Turnhalle und eine Strombehandlung in der Hydroabteilung. Diese habe ich
verordnet bekommen, nachdem ich die Probleme mit meiner linken Schulter erwähnte. Hab
sie mir irgendwie verzogen, das sind Schmerzen, wie Muskelkater nur dauern sie schon viel
zu lange an. Zwischen den Behandlungen ist immer gut Zeit, die ich zum Zeitunglesen nutze
oder mich auch mal eine Stunde ausruhe. Nach dem Mittagessen habe ich eine Schulung zum
Thema Inkontinenz, es fällt mir schwer, so mit vollem Magen aufmerksam zu bleiben. Aber
ich erfuhr viel Neues, so dass es einigermaßen ging. Später am Nachmittag hatte ich noch eine
Gruppenanwendung Atemgymnastik. Nach uns kam eine Gruppe, da kenne ich einige. Ich
überlege kurz, das sind doch die Reinigungsfrauen, die mein Zimmer sauber machen?! Was
machen die denn in der Turnhalle in Sportkleidung? Sie klären mich gleich auf, dass sie hier
Rückenschule mit einer der Sporttherapeutinnen haben. Das finde ich klasse, dass die Klinik
auch etwas für ihre Mitarbeiter tut!
Danach ging ich, um mir die Zeit bis zum Abendessen zu vertreiben, in die Schwimmhalle,
etwas planschen. Für diesen Abend habe ich mich über das „schwarze Brett“ (es ist eher eine
graue Wandzeitung) mit Mitpatienten verabredet, um Skat zu spielen. Früher habe ich mich
mit Arbeitskollegen rege lmäßig zu Skatabenden getroffen, heute ist es leider fast zur
Seltenheit geworden.
Do 11.10.
Gestern ist es etwas später geworden. Ich komme ziemlich schlecht aus dem Bett, aber die
Skatrunde war wirklich sehr gut, wir wollen es auch unbedingt in der nächsten Woche
wiederholen. Der heutige Vormittag sieht fast genauso aus, wie gestern. Nach dem
Mittagessen habe ich Zeit, um mich eine Stunde hinzulegen. Danach steht die Schulung
Prostata-Karzinom an. Dieser Vortrag wird von der Oberärztin abgehalten und ist konkret auf
meine Erkrankung zugeschnitten. Einiges davon wusste ich bereits durch die
Informationsblätter im Krankenhaus. Aber einiges war auch neu. Nach der Atemgymnastik
stand als letzter Punkt für diesen Tag der Vortrag Sozialversicherungs- und
Schwerbehindertenrecht auf dem Plan. Ich habe mich eingetragen für den Kurs „Einführung
ins Internet“. Das ist eine gute Gelegenheit, auch auf meine „alten Tage“ noch mal etwas dazu
zu lernen. Und das weltweite Netz muss man in der heutigen Zeit schon kennen. Die
Kursleiterin erklärt alles gut nachvollziehbar und bei Problemen ist sie sofort zur Stelle.
Außerdem zeigt sie uns für unsere Krankheit wichtige Seiten. Ich nehme mir vor, in den
nächsten Tagen noch mal in Ruhe im Internet zu stöbern. Mal sehen, was ich bis dahin alles
behalten habe.
Fr.12.10.
Nur noch diesen Tag schaffen, dann ist Wochenende und Hilde kommt zu Besuch. Eigentlich
sollte sie nicht jedes Wochenende kommen, aber es hat ihr so gut gefallen hier und die
gesamte Organisation hat so gut geklappt, dass sie sich diesen kleinen
„Wochenendurlaub“ nicht entgehen lassen will. Und ich bin ganz froh, weil mir Hilde die
lange Weile vertreibt. Heute geht es wieder recht früh los – um 8 mit einer
Einzelkrankengymnastik. Der Therapeut nimmt mich hart ran, aber ich merke auch bereits
Erfolge: die Rückenschmerzen werden weniger. Auch die Beckenbodengymnastik zeigt
endlich Erfolge, ich kann den Urin besser halten. Das ist für mich das Hauptziel dieser Reha.
Heute ist das Wetter nicht so besonders, deshalb nehme ich zum Terraintraining besser einen
Regenschirm mit. Nach der Strombehandlung und der Hockergruppe gehe ich zum
Mittagessen. Heute gibt es eines meiner Lieblingsgerichte: Gulasch mit Nudeln. Nach einer
langen Mittagspause habe ich noch Atemgymnastik und dann kommt auch schon der Bus, der
Hilde bringt. Am Abend setzen wir uns ins Café Lichtblick. Hilde hat Glück, gerade heute
hier zu sein, denn heute ist spanisches Hausfest. Schon zum Abendessen gibt es spanisches
Essen und im Programm tritt eine Flamenco-Tänzerin auf. Mit zwei „spanischen
Animierdamen“ machen wir dann noch ein Foto, zur Erinnerung. Außerdem kann ich endlich
mal wieder mit Hilde ein Tänzchen wagen, das ist sehr lange her, dass wir das letzte Mal
tanzen waren. Ein Mitpatient aus unserer Skatrunde hat ebenfalls Besuch von seiner Frau.
Zusammen verbringen wir einen unterhaltsamen Abend und stellen fest, dass wir in Berlin gar
nicht so weit auseinander wohnen. Alles in allem kann ich behaupten, dass das ein Höhepunkt
meiner Reha war.
Sa. 13.10.
Zum Glück habe ich heute nur eine Therapie und kann so den Rest des Tages mit Hilde
verbringen. Denn ich habe eine Überraschung für den Abend geplant. In der Paul-Gerhardt-
Kirche tritt eine junge Sängerin auf, die Lieder von Paul Gerhardt interpretiert. Das sind
Menschenmassen, wusste gar nicht, dass Lübben überhaupt so viele Einwohner hat. Das
Konzert ist sehr ergreifend, vor allem durch das Licht. Die Kirche sorgt für eine tolle
Resonanz. Hilde und mir hat es sehr gut gefallen. Ein Taxi bringt uns nacht s zurück in die
Klinik.
So. 14.10.
Heute ist wieder Kaiserwetter. Hilde und ich nutzen das schöne Wetter, um wieder zu
wandern. Früher sind wir häufig wandern gewesen, mit den Kindern übers Wochenende mal
raus in die Natur. Diesmal gehen wir einen kürzeren Weg und kehren zum Kaffee in eine
gemütliche Gaststätte in Lübben ein. Da können wir uns etwas aufwärmen, die Sonne scheint
zwar, aber es ist recht kühl. Am Abend bringe ich Hilde zum Bahnhof. Nächste Woche kann
sie nicht kommen, unser Sohn hat Geburtstag.
Mo. 15.10.
Die Therapien beginnen heute für mich um 8 Uhr. Es sind wieder die üblichen Therapien,
inzwischen kenne ich sie, aber ich merke mit jedem Mal, dass meine Muskeln kräftiger
werden. Wenn ich zu Hause weiter übe, schaffe ich es vielleicht, die Inkontinenz komplett zu
besiegen. Mein Arzt sagt, dass es möglich ist. Nach dem Mittagessen habe ich noch die
Einzelkrankengymnastik für meine Wirbelsäule und dann Feierabend.
Es ist herrliches Herbstwetter, am liebsten würde ich mir ein Fahrrad ausleihen, aber ich
glaube, das ist keine so gute Idee, so kurz nach der OP. Ich nehme mir vor, bei der nächsten
Gelegenheit meinen Arzt zu fragen.
Stattdessen gehe ich in den Computerraum, um ein wenig meine Internet-Erfahrungen zu
festigen.
Di. 16.10.
Ab 7 Uhr habe ich eine Einführung in Qi Gong. Dies ist eine asiatische Entspannungsmethode,
gekoppelt mit langsamen Bewegungen. Qi Gong am frühen Morgen an der frischen Luft
weckt wirklich alle Lebensgeister und man startet frisch in den Tag.
Der Schwierigkeitsgrad meiner täglichen Beckenbodengymnastik steigert sich allmählich. Ich
merke es wirklich, von Woche zu Woche kann ich den Urin besser halten. Inzwischen genügt
mir schon eine Vorlage pro Tag. Am Nachmittag kommt die Ernährungsberaterin zu mir aufs
Zimmer und berät mich zu gesunder fettarmer Ernährung – meine Cholesterinwerte sind zu
hoch. Ich weiß, dass das ein großes gesundheitliches Risiko bedeutet, deshalb höre ich ihr
genau zu und bin dankbar über das umfangreiche Informationsmaterial, das sie mir gibt. Auch
Hilde muss ihre Kochgewohnheiten umstellen, das ist mir jetzt klar.
Als letzte Anwendung des Tages erhalte ich ein Therm-Warm-Pack – sehr entspannend! Den
Abend verbringe ich im Café Lichtblick, da tritt heute ein Männerchor auf, ich glaube aus
Lübben sind sie.
Mi. 17.10.
Den Tag beginne ich wieder mit Qi Gong. Nach der Hockergruppe und der
Beckenbodengymnastik für Männer findet eine Onkologieschulung statt. Dies ist ein
allgemeiner Vortrag der Chefärztin zum Thema Krebs. Obwohl ich mich schon viel mit dem
Thema beschäftigt habe, lerne ich immer noch dazu. Außerdem kann man im Nachhinein
noch Fragen stellen. Zu Mittag gibt es heute Kassler, Hilde kann ihn zwar besser, aber er
schmeckt ganz gut. Zu meinem Mittagsschläfchen komme ich heute leider nicht, denn gleich
um 13 Uhr habe ich Einzelkrankengymnastik. Meinem Rücken geht es inzwischen um
Einiges besser. Die Strombehandlung an meiner linken Schulter ist der heutige Abschluss.
Um 3 ist Feierabend.
Die Zeit bis zum Abendessen vertreibe ich mir mit Fernsehen. Hilde ruft auch noch an. Und
abends hält ein Herr von der Tourismusgesellschaft einen Dia-Vortrag über Land und Leute,
wirklich sehr interessant. Ich glaube im nächsten Jahr sollten wir mal Urlaub im Spreewald
machen, die Freizeitmöglichkeiten beschränken sich keineswegs nur auf Kahnfahrten.
Do. 18.10.
Der Tag beginnt zwar schon um 7 Uhr mit der ersten Qi Gong Anwendung, aber dafür habe
ich zwischendrin viel Freizeit. Nach einem gemütlichen Frühstück komme ich in den Genuss
eines Therm-Warm-Packs. Dann begebe ich mich langsam zur Turnhalle, Hockergruppe.
Nach dem Mittagessen ist Zeit für ein kleines Mittagschläfchen. Heute habe ich wieder gegen
15 Uhr Feierabend. Heute Abend ist wieder „Karten kloppen“ angesagt. Die alte Runde trifft
sich im Wandelgang vor dem Café, bei einem Bierchen wird Poker gespielt.
Fr. 19.10.
Heute kann ich zum Glück eine halbe Stunde länger schlafen. Solche langen Abende
schlauchen mich ziemlich, bin sie ja nicht mehr gewöhnt seit meiner Krebserkrankung.
Der Therapieplan sieht fast genauso aus wie immer. Heute ist zusätzlich Terraintraining
angesagt, so ein straffer Spaziergang an frischer Luft wirkt Wunder. Und das Wetter ist auch
einigermaßen. Nach dem Mittagessen kann ich mich noch eine Stunde ausruhen, dann habe
ich einen Vortrag zum Umgang mit Schlafstörungen. Die Psychologin erklärt, welche
Ursachen dahinter stecken könnten und wie man z.B. durch Abendrituale leichter einschlafen
kann. Mal schauen, wie ich es zu Hause einbauen kann. Die Strombehandlung ist der
Abschluss des Tages. Beiläufig erzählt mir die Therapeutin, dass sie ab der nächsten Woche
nicht mehr hier ist. Ich frage sie warum, und sie berichtet mir von ihrer Mutter die einen
Schlaganfall hatte, nächste Woche aus dem Krankenhaus entlassen wird und nun
pflegebedürftig ist. Ein Heimplatz ist erstmal nicht in Sicht, sodass sie die Pflege übernehmen
muss. Zum Glück braucht sie nur 6 Monate auf einen Pflegeplatz zu warten und dann kann sie
wieder arbeiten gehen. Das das der Arbeitgeber so mitmacht? Sie sagt ja, eine unbezahlte
Freistellung auf begrenzte Zeit ist möglich. Das hat man nicht überall...
An diesem Wochenende kommt Hilde nicht. Unser Sohn Stefan hat Geburtstag. Aber ich
komme ja nächsten Mittwoch nach Hause.
Den Abend verbringe ich im Zimmer vor dem Fernseher.
Sa. 20.10.
Der einzige Termin heute ist die Beckenbodengymnastik. Danach gehe ich ins Internetcafé,
das Gelernte auffrischen und schauen, ob ich etwas Interessantes im www finde.
Nach einem ausgedehnten Mittagsschläfchen gehe ich eine kleine Runde spazieren. Abends
treffen wir uns wieder zum Skat. Heute wird es etwas länger als sonst, können ja morgen
ausschlafen.
So. 21.10.
Den Sonntagvormittag verbringe ich mit einer Illustrierten, ich habe mir einen Cappuccino
aus dem Café geholt, setze mich in der Wandelhalle und beobachte vorbeilaufende Leute. Für
den Nachmittag habe ich mich mit einem Mitpatienten aus der Skatrunde verabredet, er ist mit
dem Auto hier, wir wollen mal nach Lübben rein, uns die Paul-Gerhardt-Kirche und das
Lübbener Schloss anschauen.
Am Abend findet eine Lesung mit dem Thema: „Die Grenze, die uns teilte“ statt. Es ist ganz
gut, alles wieder aufzufrischen. Manches hatte ich bereits vergessen. Die Zeit damals war
auch für unsere Familie ziemlich aufreibend. Hilde und ich überlegten damals in den Westen
auszureisen.
Mo. 22.10.
Heute ist viel zu tun. Mein Terminplan ist voll. Morgens Qi Gong, dann Wiegen und
Blutdruckmessen bei den Schwestern für die Entlassungsuntersuchung. Dann die
Entlassungsuntersuchung bei meinem behandelnden Arzt. Gemeinsam gehen wir die Ziele der
Reha-Maßnahme, die wir zu Beginn besprochen haben, noch einmal durch. Bei den meisten
Sachen kann ich guten Gewissens sagen, dass sie erreicht wurden. Meine Inkontinenz ist fast
komplett behoben, ich benötige nur noch einen kleinen „Überstülper“ am Tag, damit kann ich
gut leben. Der Arzt sagt, wenn ich meine Beckenbodengymnastik zu Hause weiterführe,
bestehen gute Chancen, vollständig „trocken“ zu werden. Er gibt mir noch ein Faltblatt mit
den Übungen für zu Hause mit.
Nach dem üblichen Sportprogramm findet am Nachmittag noch eine Abschlussrunde mit
Verabschiedung im Café statt. Bei einem Kaffee kann man letzte Hinweise, Kritik und auch
Lob anbringen. Ich kann nur sagen, dass es mir rundum gut getan hat. Dann muss ich mich
ziemlich beeilen, um pünktlich bei meiner letzten Einzelkrankengymnastik zu sein. Das
Übungsprogramm fällt heute etwas verkürzt aus, weil der Physiotherapeut noch die Erfolge
mit mir zusammen durchgeht.
Am Abend gibt es ein Abschiedsfest für die heimreisenden Patienten im Café Lichtblick. Im
Programm werden Sagen aus dem Spreewald erzählt. Es war ein sehr netter Abend und auch
ein wenig Wehmut kommt auf – wahrscheinlich der Wein.
Di. 23.10.
Mein letzter Tag! Meine erste Therapie beginnt erst um 8. Dann habe ich etwas Freizeit und
dann geht´s zur letzten Beckenbodengymnastik und der letzten Strombehandlung. Nach dem
Mittagessen ist Zeit für eine kleine Mittagspause, die ich mit einem Therm-Warm-Pack noch
verlängern kann. Der letzte Termin ist eine Schulung durch eine Diätassistentin zum Thema
Ernährung und Krebs. Auch hier lerne ich wieder dazu, und zwar, dass man
Krebserkrankungen durch die richtige Ernährung zumindest teilweise vorbeugen kann, nun
verstehe ich auch den Zusammenhang zwischen dem Bio-Angebot bei der Ernährung und der
Fachrichtung Krebs. Am Abend packe ich meine Koffer und telefoniere ein letztes Mal mit
Hilde. Morgen bin ich wieder zu Hause. Bei dem Gedanken beschleicht mich zum Einen eine
kleine Wehmut zum Anderen aber freue ich mich darauf, endlich wieder in meinem Bett zu
schlafen und bei Hilde zu sein. Die Küche der Reha war zwar nicht schlecht, doch Hilde
kocht besser!
Mi. 24.10.
Heute geht es wieder nach Hause. Früh, um 7.45Uhr fährt das Taxi. Es ist derselbe Fahrer, der
mich auch her gebracht hat. Und die anderen Gäste sind auch fast dieselben, außer die Dame
mit dem Rollator ist nicht dabei. Vielleicht hat sie ja eine Verlängerung bekommen.
Die Fahrt geht recht schnell. Um die Zeit ist der Berufsverkehr durch und ich bin gegen 10
Uhr daheim. Hilde erwartet mich. Bei einem Kaffee erzählen wir uns die Erlebnisse der
letzten Woche, wenn wir sie nicht bereits am Telefon besprochen hatten. Was ich aus der
Reha mitnehme? Zuallererst, Mittagsschlaf! Zukünftig möchte ich ihn mir einfach gönnen,
weil es mir gut tut. Das habe ich vor allem gelernt: auf die Signale meines Körpers zu achten.
Er weiß ganz genau, was mir gut tut. Auch an Informationen habe ich viel mitgenommen.
Durch das umfangreiche Infomaterial, dass man von jedem Therapeuten bekommt, behält
man das Gelernte besser und man hat Übungsanleitungen für zu Hause. Wie mein Arzt und
der Physiotherapeut sagten, niemals aufhören mit der Beckenbodengymnastik, diese Muskeln
brauchen ein ständiges Training, um die Erfolge zu halten und auch weiter auszubauen.
Lübben werde ich in guter Erinnerung behalten, weil mir dort sehr geholfen wurde. Ich hoffe
allerdings nie wieder zur Reha zu müssen, denn das würde bedeuten, dass mein Krebs wieder
ausgebrochen ist. Wenn dies aber der Fall sein sollte, möchte ich unbedingt wieder nach
Lübben!
Abends besuchen wir noch unseren Sohn, dem ich endlich persönlich zum Geburtstag
gratulieren kann.
1 Kommentar
Sitzen Enttäuschung über die eigene Erkrankung und Unzufriedenheit so tief, dass man derart um sich schlagen muss und man den Blick für das Gute völlig verloren hat?